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Ambiguitätskompetenz: Ins Ungewisse entscheiden



Viele reden darüber, kaum einer mag es: Das Aushalten von Ungewissheit und Mehrdeutigkeit, eben Ambiguität. Die Ungewissheit der Zukunft, die Mehrdeutigkeit der Daten, die Vielschichtigkeit, wie man Situationen einschätzen und bewerten kann, stresst nicht nur neue Führungskräfte in diesen Tagen besonders. Wir müssen vieleThemen und Maßnahmen neu und schnell in die Mannschaft oder in die Märkte bringen.


Erster Schritt in die Ambiguitätstoleranz

Keinen Satz höre ich derzeit öfter als: „Sehen wir mal, wie sich die Lage entwickelt.“ Es ist schwer einzugestehen: „Ich weiß es nicht“, ohne das Gefühl zu haben inkompetent zu wirken. Und dennoch ist es die Wahrheit, dass viele Themen in ihrer Komplexität derzeit schwer einzuschätzen sind und bleiben.


Was tun wir heute, um Ambiguität zu begegnen?

  • Wir bauen Szenarien, um für Eventualitäten gerüstet zu sein.

  • Wir gehen in kleineren Schritten, um auf Sicht zu erkunden.

  • Wir experimentieren und lernen.

  • Wir pflegen Aktionismus, denn Tun beruhigt.

  • Wir geben ganz persönliche Interpretationen an Mitarbeitende.

  • Wir fallen aber auch auf kurze laute Heilsversprechen rein.

All dies beobachte ich, um Unberechenbarkeit entgegenzuwirken und den Mitarbeitenden Orientierung zu geben. Aber es fehlt ein entscheidender Schritt: die ganz individuelle Bewältigung von Ungewissheit.


Gehirn belohnt Eindeutiges

Wir haben gelernt, dass etwas abzuschließen, einzuordnen, zuzuschreiben für Erleichterung und Entspannung sorgt. Es entsteht Konkretes und Eindeutiges. Wir wissen, wie wir dran sind. Dieser Vorgang besitzt hohen Wert in unserer Arbeitswelt. Abhacken der To-Do-Liste, Durchgehen einer Checkliste oder Abschließen eines Prozessschrittes vermittelten das Gefühl etwas bewegt und erledigt zu haben. „Erst wenn ich das durchgezogen habe, bin ich zufrieden. Erst wenn ich das Programm abgeschlossen habe, kann ich etwas Neues machen. Erst wenn ich meine Position kundgegeben habe, bin ich wirksam“, so lauten Stimmen im Alltag.


Unser Gehirn feuert nach Erledigung einer Aufgabe, Treffen einer Entscheidung und Glückshormone bringen so das Gefühl der Belohnung: „Richtig so, Klarheit herrscht vor. Gut gemacht. Wir sind einen Schritt weiter.“ Lücken und Unsicherheiten werden scheinbar geschlossen.


Bewusstseinsschritt notwendig

Ambiguitätstoleranz, die Offenheit für Vorläufiges, Uneindeutiges verlangt von Leadern einen großen Bewusstseinsschritt aus der bewährten bisherigen Zone des Denkens- Handelns -und Fühlens. Wir müssen dabei unsere Festlegungen aufgeben, für die wir hart gekämpft haben oder die Teil unserer Identität geworden ist. Das ruft inneren Widerstand hervor: Offen zu bleiben, eine vorläufige Meinung zu haben, die durch Lernen und Ausprobieren verdichtet und verbessert wird. Offen zu bleiben und den inneren Antreibern, zu widersprechen, die da rufen: „Jetzt entscheide endlich, setz dich endlich durch, sei kein schwacher Leader, mach klar Schiff“.


Führungsarbeit wird immer wieder neu verhandelt und entschieden. Manchmal ist keine gerade Linie möglich und der Leader muss ausbalancieren, pendeln, pondern, entscheiden und nachsteuern. Mitarbeitenden zu vermitteln, dass Mehrdeutigkeit zum Alltag immer dazu gehört und immer wieder gemeinsam eingeschätzt wird, ist ein wichtiger Schritt in der praktischen Führungsarbeit. Eine Quelle an Weisheit und Anleitung, Ambiguität weiter zu begegnen ist in den östlichen Denkschulen zu finden.


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